Echt süß: Lukullische Weinprobe bei Vintetrez in Rutesheim 

Genuss der besonderen Art! Sechs Weine, sechs kleine Gänge und eine wunderbare Reise durch Deutschland, Frankreich, Portugal und Spanien. Die „Lukullische Weinprobe“ bei Vintetrez in Rutesheim mit Küchenmeisterin und Sommelière Isabel Mayr bot die ein oder andere Genuss-Überraschung. Zum Nachahmen absolut empfohlen, vor Ort und in der eigenen Küche. Neben den Inspirationen fürs Weinregal gab es auch einige für die Verfeinerung der eigenen Küche. Aber fangen wir am besten ganz vorn an. 

Zum Start: Salat ohne Salz

Für den Start in den Abend hatte Isabel einen schön winterlichen Birnen-Walnuss-Salat mit Sesam vorbereitet. Clou an der Sauce: Es wurde kein Salz bei der Zubereitung verwendet! Allein die Mineralik des dazu passenden Weines gab dem Salat weitere Bitternoten und Salzigkeit. Eine ziemlich coole Idee. Ausgesucht hatte Isabel einen Grauburgunder aus dem Elsass von der Domaine Baumann-Zirgel. Der Pinot Gris 2021 ist ein demeter-Wein, die Anbauflächen liegen grob zwischen Straßburg und Colmar. Witzigerweise unweit der Partnerstadt meines Heimatortes. Ich revidiere also mit sofortiger Wirkung all meine Vorbehalte gegenüber den Weinen aus der Region rund um Riquewihr! Auch dafür ist so ein Abend mal gut. Und Spoiler: Für mich war das in der Tat der Wein des Abends. Sanfte Kräuter, Zitrusnoten, sanfte Mineralik, schön eingebunden. Mit etwas mehr Luft entwickelt er eine leichte Süße, weiche Frucht, Mirabelle, süßer Apfel, auch florale Noten kommen durch. Um diesem Wein auch eine leichte Bühne zu bieten, war die Kombi mit diesem Salat absolut gelungen.

Blindprobe aus Baden

Weiter ging es mit der einzigen Blindprobe des Abends: Hier wurde ich mit einer Rebsorte überrascht, die ich eher selten im Glas habe. Aber möglicherweise ändert sich das im kommenden Sommer mit Weinen wie diesen. Eigentlich hatte ich eine äußerst säurearmen, leichten, jungen Riesling erwartet, es war allerdings ein Rivaner vom Weingut Köbelin am Kaiserstuhl. Ein wenig Himbeere, sogar eher die Blüte davon, sanfte Säure, die auch die Schärfe des dazu präsentieren Ganges leicht abfing. Die Karottensuppe mit Chili war eine sanfte Kombi. Wo der Wein dann überraschen konnte, war beim Mini-Zwischengang mit einem Salzschokolade-Lakritz. Der Lakritzgeschmack wurde sogar noch leicht am Gaumen verstärkt. Wer also für sein Menü an Lakritz-Dessert oder eine mit Lakritz verfeinerte Sauce denkt, mit Lakritzsalz würzt usw., denkt an den Rivaner!

Genussabend mit Grauburgunder aus dem Elsass und Rivaner aus Baden, in der Mitte die Vorspeise, ein winterlicher Salat

Große Vorfreude

Auf den nächsten Gang hatte ich mich schon bei der Lektüre des Menüs gefreut: Pain d’Epice mit Foie Gras. Da konnte ja nur ein Franzose dazu passen. So war es auch, aber hier mit geballter Süßwucht! Isabel hatte dafür einen Süßwein aus Südwest-Frankreich ausgesucht. Die Domaine de l’Ancienne Cure liegt im Perigord, etwa auf derselben Höhe wie Bordeaux. Das mehrfach ausgezeichnete Bio-Weingut baut auf 50 Hektar 33 weiße und 17 rote Rebsorten an. Sémillon, Sauvignon Blanc und Gris, Muskateller oder Chenin blanc sowie Merlot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Malbec stehen hier auf der Anbauliste. Für die Foie Gras präsentierte uns Isabel den Monbazillac Jour de Fruit 2020, der neben Süße auch mit toller Würze, Trockenfrüchten, Orangeat, Zimt, Rosine und Met um die Ecke kam. Für mich fast flüssig gewordenes Hutzelbrot, das im Glas das Pain d’Epice so richtig nach vorne katapultierte. Wer also statt dem klassischen Sauterne mal auf eine Alternative zurückgreifen will, sollte dieses Weingut hier auf dem Zettel haben. Die wichtigste Rebe der Region, Sémillon ist hier mit 90% vertreten, die restlichen 10% werden mit Muskateller aufgestockt. Ein Süßwein nicht nur zum Dessert!

Dessert, Süßweine und ein veredelter Käse zum Abschluss

Genuss pur – Scharf, satt und süß

Und es sollte nicht die letzte süße Begleitung des Menüs sein. Weiter ging es aber erst einmal mit dem ersten Roten des Abends: Der Quinta do Espírito Santo Reserva 2019 von Casa Santos Lima in Lissabon war ein kirschiger, beeriger Begleiter zum, für meine Begriffe, exakt richtig geschärften Saftgulasch mit Schokolade und Chili. Mit seinen 15% und einem eigenen Hauch von dunkler Schokolade war das einfach genau eines: Schmackofatz. Auch eine schöne Anregung für ein winterliches Menü, auch für diverse Festabende. Das Gulasch schmurgelt schön vor sich hin, man genehmigt sich bereits am Vorabend ein Gläschen nebst Probierhappen und kann sich am Festabend bequem und satt zurücklehnen.

Port, Sherry und Inspiration

Vor dem großen Finale gab’s erstmal noch ein Stückchen Kuchen. Und passend zum flüssigen Begleiter ein wenig Frucht. „I think, we’ll have port with the fruit!“. Denn ins Glas kam ein 10jähriger Tawny von Burmester. Eine clevere Wahl, denn Port haben die wenigsten bei einem Weinabend auf dem Schirm. Warum eigentlich? Dieses „Bürgermeisterstück“ passte wunderbar zum Kuchen und dem passend ausgesuchten Obst. Außerdem eine echte Inspiration als Begleiter fürs eigene Menü. Nicht nur mit Früchten, sondern vor allem mit Schokolade oder reiferen Hartkäsesorten. Hier macht der Tawny eine wahrhaft gute Figur. Mehr Infos zum Thema Portwein findet ihr übrigens in diesem Beitrag von Kim.

Süßer Sherry, scharfes Gulasch und ein Überraschungswein zum Abschluss

Auch für den Abschluss hatte Isabel passend zum äußerst kräftigen Edel-Blauschimmelkäse einen Pedro Ximenez von der Bodega Gutierrez Colosia ausgewählt. Ein süßer Sherry aus der Region rund um Jerez, der aber keinerlei Schwere mit sich bringt, sondern den wunderbar affinieren Käse etwas mildert und in der Kombination zu einem unwiderstehlichen Finalisten macht. Solo hätte ich den Käse als deutlich zu scharf wahrgenommen, mit dem Sherry ein unbeschreiblicher Genuss. Und für mich wiederum eine Inspiration, auch solchen Käsen mal eine Chance auf dem Teller zu geben – man braucht eben nur die passende Begleitung. Mehr darüber könnt ihr hier nachlesen.

Der nicht unerhebliche Anteil an süßen Vertretern war für manche an diesem Abend etwas unerwartet, mitunter herausfordernd, mir kam diese Variante einer Genuss-Weinprobe sehr entgegen. Denn sie zeigte nochmal die Vielfalt, die bei einem Menü möglich ist. Von Frische und Leichtigkeit bis hin zu dichteren und komplexeren Geschmacksrichtungen hatte Isabel das Menü super begleitet und vorbereitet. Und vor allem: hat jede Menge Inspirationen mit auf den Weg gegeben. Empfehlenswert!

Danke außerdem für den kleinen Auffrischer zum Schluss: Ein kurzer Blick ins geliebte Südfrankreich mit wunderschönem Etikett und tollem Flascheninhalt. Dazu an anderer Stelle einmal mehr.

Julia Graff
Julia Graff
Passionierte Genussbuch-Verlegerin, lieber Weiß oder Rosé als Rot, sucht gern die geschmackliche Herausforderung mit steiler Lernkurve – es darf auch mal komplex sein. Kocht einmal im Monat auf dem Kanal des mehrfach national und international ausgezeichneten Hädecke Verlags live bei Instagram mit passendem Getränk. Mag den richtigen Groove auf der Bühne, als Gastgeberin und beim Pairing. Neben den Klassikern aus deutschen oder österreichischen Anbaugebieten verbindet sie eine besondere Liebe mit der Loire und Südfrankreich. Und wenn mal kein Wein im Glas ist, haben Whisky, Rum oder Craft Beer auch ihren Platz.